ITB zeigt mehr als die „heile Urlaubswelt“

vgwortMit einem deutlichen Plus bei Einkäufern aus dem Ausland und den besten Ausstellerzahlen aller Zeiten schloss die 45. ITB Berlin (Internationale Tourismus-Börse) gestern ihre Tore. Dr. Christian Göke, Geschäftsführer der Messe Berlin, blickt auf eine erfolgreiche Veranstaltung zurück: „Die ITB Berlin zieht von Jahr zu Jahr mehr internationale Entscheider an. Mittlerweile kommen über 40 Prozent der Einkäufer aus dem Ausland. Wir gehen davon aus, dass die Aussteller ein Volumen von mehr als sechs Milliarden verhandelt haben.“

ITB
Begehrt: Hallen mit deutschen Reisezielen Foto: Silke Liebig-Braunholz

11.163 Unternehmen aus 188 Ländern (2010: 11.127 Unternehmen aus 187 Ländern) zeigten vom 9. bis 13. März erneut das komplette Spektrum der internationalen Reiseindustrie. Rund 170.000 Besucher nutzen die ITB Berlin für den fachlichen oder geschäftlichen Austausch, davon informierten sich allein 60.000 Privatbesucher aus erster Hand über die Reiseziele.

Überschattet wurde die ITB Berlin vom Erdbeben und Tsunami in Japan. Am Samstagmittag wurde der Japanstand geschlossen. Auch wenn das Messetreiben fortgesetzt wurde, zeigten sich Aussteller und Verantwortliche doch sehr betroffen: „Positive Nachrichten und Prognosen prägten in diesem Jahr das Spitzentreffen der Reisebranche, auch wenn die politischen Entwicklungen in Nordafrika natürlich ebenfalls im Raum standen und diskutiert wurden. Große Betroffenheit und Anteilnahme lösten die Nachrichten über die schrecklichen Folgen des Erdbebens und Tsunamis in Japan aus“, sagte Klaus Laepple, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW).

Begeisterte Erst-Aussteller

Die Reaktionen einiger neuer Aussteller auf der ITB Berlin zeigten, wie wichtig es für Destinationen ist, beim weltweit größten Tourismustreffen dabei zu sein. Valentin Kavakure, Chief Promotion Officer im Burundi Tourism Office erklärte: „Burundi ist das erste Mal seit Jahrzehnten wieder mit einem eigenen Stand auf der ITB Berlin vertreten. Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf und wäre noch zufriedener, wenn wir es schaffen, die Kontakte mit unseren Partnern aus Deutschland, die sich hier neu ergeben haben, auch langfristig zu halten“. Luz Elena Coloma, Gerente General, Quito Turismo, Ecuador, fügt hinzu: „Ich war zum ersten Mal auf der Messe, denn es ist das erste Mal, dass Quito, die Hauptstadt Ecuadors, sich hier eigenständig präsentiert. Die Messe ist eine großartige Gelegenheit, mit der Industrie und dem Handel in Kontakt zu kommen, mit den Interessenten aus Europa, aber auch mit Leuten aus dem eigenen Land.“

Wer profitiert von der Reiselust?

Viele Hoffnungen also in eine gigantische Industrie mit weltweit mehr als 100 Millionen Beschäftigten, die hierzulande als Traumwelt wahrgenommen wird. Die Reiselust der Deutschen ist ungebrochen – auch das hat die ITB Berlin gezeigt. Die aktuellen Ergebnisse aus den GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) Tourismus-Vertriebspanels belegen, dass die touristische Nachfrage in Deutschland boomt. Kumuliert bis Ende Januar sollen die Buchungsumsätze für die kommende Sommersaison 2011 um 18 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum steigen. Wer von dieser Reiselust profitiert, hängt nicht zuletzt auch von der Marketingstrategie der Touristiker ab. Auch dies war Thema der ITB Berlin, nicht nur in den Fachgesprächen, sondern auch auf dem ITB Mediengipfel unter dem Titel „Auf wen hört der Kunde? Mobile Apps und Soziale Netzwerke oder Hochglanz und Qualitätsjournalismus?“.

Veranstaltet wurde die Diskussionsrunde von der dpa-Tochter news aktuell, Landau Media, Wilde & Partner und der ITB Berlin. Moderator und Publizist Hajo Schumacher führte auch in diesem Jahr bei der erst zweiten Veranstaltung dieser Reihe amüsant durch das Thema. Ohne ihn hätte sich die Runde, die sich außer Christoph Engl (Südtirol Marketing Gesellschaft) und Stefan Keuchel (Google Deutschland) gern auf die eingetretenen Pfade zurück besonn, wohl kaum aufmischen lassen. Jürgen Drensek, Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten, war anzumerken, wie ungern sich die Branche den neuen Möglichkeiten widmen will. Von einer „Kuschelzeit“, aus der Journalisten kämen, sprach gar Claus Strunz vom Hamburger Abendblatt.

Jürgen Drensek sprach von Mumpitz

Ihren zynischen Beigeschmack erlebte die Diskussion in der direkten Auseinandersetzung mit den sozialen Netzwerken. Print sei Qualitätsjournalismus, Social Media sei Meinung – so der Tenor der Diskussion, die wenig Möglichkeiten für ein Zusammenspiel aufzeigte. Jürgen Drensek sprach in Bezug auf die neuen Netzwerke sogar von „Mumpitz“. Moritz von Laffert, Geschäftsführer von Condé Nast Deutschland, betonte, dass sich guter Reisejournalismus auch heute auf das Wesentliche konzentrieren müsse: „Wenn es darum geht, Menschen in einem positiven Sinne zum Thema Reisen zu inspirieren, dann kann man nicht auf jede politische Facette eingehen“, so der Verlagsgeschäftsführer in Anspielung auf das aktuelle Geschehen im arabischen Raum. Dennoch beriefen sich Drensek, Strunz und von Laffert immer wieder auf den Qualitätsjournalismus und standen damit im eigenen Widerspruch zu ihren Aussagen, dass Reisejournalismus eher nicht hinterfragt, sondern lediglich inspirieren soll.