Christof Gensler ist überzeugt, dass er mit seinem Handeln Lebensräume erhalten kann. Der Biobauer und -bäcker arbeitet grundsätzlich mit Lieferanten aus dem näheren Umkreis. Damit gibt er auch seinen Rhöner Geschäftspartnern eine Chance. Silke Liebig-Braunholz sprach mit dem leidenschaftlichen Regionalvermarkter
Es soll Menschen geben, die behaupten, Christof Gensler sei zu fair. Darüber kann der 47-Jährige nur kopfschüttelnd schmunzeln. Schließlich definiert sich seine Arbeit nur über die hohe Qualität seiner Produkte, nicht aber über den Preis. Die hohe Achtsamkeit auf eine ursprüngliche Herkunft der Zutaten und den verantwortungsvollen Umgang mit dem Produkt schließen einen übermäßigen Profit aus. Dafür ermöglicht sie die regionale Wertschöpfung: „Kleine Chargen zu einem angemessenen Preis – das ist unser Motto. Viele Kunden schätzen dies“, sagt der Biobauer. Pro Jahr zählt er rund 10.000 Besucher auf seinem Hof in Poppenhausen an der Wasserkuppe, dem höchsten Berg in Hessen. Sie motivieren und bestärken ihn in seinem täglichen Tun.
Er schätzt intakte Lebensräume
„Visionäre wie ich können keine Massenproduzenten sein“, sagt Gensler. Er schätzt intakte Lebensräume mit reinen Lebensmitteln. Die Natur habe die vielen Zusatzstoffe in konventionellen Produkten nicht geschaffen, weiß er und verfechtet vielleicht auch deshalb den regional biologischen Wareneinsatz.
Möglich macht dies auch die lange Tradition des Familienbetriebes, den Christof Gensler gemeinsam mit Ehefrau Petra seit 1985 in 3. Generation führt. Sein Vater Hubert hatte einst an der traditionellen Wirtschaftsweise auf dem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb festgehalten und sich geweigert Brot vom Bäcker zu essen. Dafür wurde ein Holzbackofen gekauft, in dem Mutter Gertrud das Rhöner Holzofenbrot in Handarbeit und mit lang gereiftem Natursauerteig hergestellt hat. Der Junior führte den Betrieb schließlich zur 100-prozentigen ökologischen Wirtschaftsweise. Seit 1998 ist der Hof anerkannter Bio-Betrieb mit Landwirtschaft, Backstube, Bauernladen, Brotzeitscheune und Biergarten mit 130 Plätzen, Indianer-Hotel mit acht Tipi-Zelten und 60 Übernachtungsplätzen sowie einer Erlebnisbäckerei.
Besuch von einem südamerikanischen Indianer
„Wer bei uns einmal eigenständig ein Brot herstellt, hat Zeit seines Lebens sein Bewusstsein verändert“, behauptet Gensler. Dies gilt jedoch auch für die anderen Betriebszweige – auf dem Biohof in Poppenhausen tut sich etwas in den Gedanken der Besucher. Christof Gensler ist immer noch beeindruckt von dem Besuch eines südamerikanischen Indianers, der einst vor seiner Tür stand und nach dem Sinn des Lebens suchte, weil er in der Lebensmitte nichts mehr mit sich anzufangen wusste. „Wir haben hier schon vielen Menschen die Ursprünge unseres Daseins ein wenig näher bringen können“, sagt der Landwirt. Bis zu 50 Fachexkursionen führt er mit seinen zehn Mitarbeitern jedes Jahr durch. Neben Landwirten und Regionalentwicklern, kommen vor allem auch Umwelt- und Landwirtschaftsminister nach Poppenhausen. „Sie wollen unsere Philosophie kennen lernen. Wir nennen es Bildungsarbeit für eine nachhaltige Entwicklung“, sagt Gensler.
Von der Urproduktion der Lebensmittel lernen
Deshalb fängt er auch bei den Kindern an und hat die Erlebnisbäckerei ins Leben gerufen. Rund 200 Kindergruppen sind jedes Jahr auf dem Biohof. Es gibt kein Kind im Landkreis Fulda, dass während seiner Schulzeit nicht einmal bei den Genslers war. Sie backen hier ihre eigenen Produkte und lernen die Urproduktion der Lebensmittel kennen. Drei traditionelle Steinbacköfen hat Christof Gensler in seiner Bäckerei stehen. Alle werden noch mit Holz gefeuert, das jeden Abend in die Öfen gesteckt und in der Nacht verbrannt wird. Nach dem Reinigen können die Brote am Morgen auf den heißen Steinen gebacken werden. Neben dem klassischen Roggenbrot, entstehen die Sorten Mehrkorn, Dinkel und Roggenvollkorntoast. Außerdem werden Brötchen gebacken und wenn der Ofen abgekühlt ist auch der beliebte Rhöner Zwiebelsploaz – ein Zwiebelkuchen mit Roggenteig, von dem Gensler mittlerweile zwölf verschiedene Variationen herstellt.
Partnerbetrieb des Biosphärenreservats Rhön
Die Verwendung ökologischer Zutaten aus der Rhön ist für den Betrieb, der Mitglied in der Erzeugergemeinschaft Rhönhöfe Ökologische Lebensmittel sowie im Thüringer Landesverband Gäa-Vereinigung Ökologischer Landbau e. V. ist, eine Selbstverständlichkeit und Verpflichtung zugleich. Als einer der ersten Betriebe der Rhön überhaupt wurde der Biohof als Partnerbetrieb des Biosphärenreservats Rhön anerkannt – eine Auszeichnung für Betriebe mit einem besonders hohen Einsatz ökologisch erzeugter regionaler Produkte. Für diese Produkte ist dem überzeugten Visionär keine Mühe zu viel. Er arbeitet mit drei Lieferanten zusammen, die für ihn das Getreide anbauen – früher wurde selbst dieser Produktionsschritt von der Familie übernommen.
Heute greift Gensler auf ein Netzwerk zwischen Biolandwirten und Produzenten zurück, die eine durchgängig hohe Qualität garantieren können, weil sie sich ergänzen. In einem Umkreis von höchstens 80 Kilometern wird das Getreide bei den Landwirten Hartmann in Fliedern, Limpert in Tann und May in Junkershausen angebaut, so dass Gensler wählen und selbst eine verregnete Saison von einem Partner überbrücken kann. Pro Jahr lässt er bis zu 30 Tonnen Getreide anbauen, die er dann in einer zum Familienbetrieb immer noch gehörenden Mühle einlagert, um sich so jede Woche sein Mehl mahlen zu können. Damit entstehen dann beispielsweise auch die beliebten Rhön Kracher – ein Knäckebrot ohne Hefe gebacken, mit Gewürzen, Kürbiskernen, Sesam, Mohn oder einem Müslimix verfeinert. Das Brot besteht ansonsten aus 28 Prozent Dinkelmehl, 14 Prozent Roggenmehl, 14 Prozent Weizenmehl, 6 Prozent Sauerteig, 5 Prozent Butter, 2 Prozent Meersalz und 31 Prozent Wasser.
Mehr als 400 Produkte im Bauernladen
Von der staatlich zugelassenen Öko-Kontrollstelle gemäß EG-ÖkoVO Agreco lässt Gensler zweimal im Jahr die ökologischen Produktionsmethoden in seiner Bäckerei und auf dem Biohof überprüfen. Neben den Backwaren produziert der Betrieb auch zertifiziertes Biorindfleisch. Die Rinder dafür werden auf rund 20 Hektar Land gehalten und mit Heu von Biowiesen gefüttert. Etwa 20 Tiere bilden eine kleine Herde, die eine geringe Mastintensität aufweist und robust ist – beste Voraussetzungen für den Anspruch des Landwirts an seine Fleischqualität.
Die Produkte werden anschließend und nach der Feinverarbeitung über den Bauernladen oder auf regionalen Märkten angeboten. Der Betrieb verkauft bis ins Rhein Main Gebiet und betreibt einen Lieferservice. Schließlich bietet der Bauernladen in Poppenhausen über 400 Produkte an, die viele Kunden auch im Versandhandel bestellen. Bio-Apfelsäfte, Bio-Ziegenkäse, Bärlauch-Pesto oder Rhöner Bio-Fleisch können so erworben werden. Christof Gensler vertreibt auch die Produkte von Partnerbetrieben, die sich dem ursprünglichen Rhöngenuss verschrieben haben müssen, ein Partnerbetrieb des Biosphärenreservats oder ein geprüfter Bioproduzent mit einem reinen Bioprodukt aus der Region sind.
Umweltfreundlich wirtschaften
Die Früchte von den rund 150 Streuobstbäumen auf dem Biohof vertreibt er selbst. Schließlich ist Gensler auch Mitglied in der Rhöner-Apfelinitiative, die sich im besonderen Maße für den Erhalt der Streuobstwiesen einsetzt. Nicht zuletzt gehört der Visionär auch zu den Biopionieren des Biosphärenreservats der Rhön, die nach nachhaltigen Kriterien arbeiten. Diese Gemeinschaft wurde von Unternehmern gegründet, die unsere Welt ein bisschen schöner und besser gestalten wollen. Dafür wirtschaften sie umweltfreundlich, auch wenn das mühsamer ist. Zudem geben sie ihrem Tun einen Sinn, denken nach vorn und sind innovativ – Attribute, die zweifelsohne auch für Christof Gensler gelten, der mit seinem Biohof längst ein Stück weit Geschichte geschrieben hat.
erschienen im Slow Food Magazin