Rückenwind für die Vordenker

In meinen Recherchen stelle ich in diesen Tagen oft fest, dass viele Menschen sich intensiver mit dem großen Ganzen beschäftigen und einen Beitrag leisten wollen. Die Gespräche sind intensiver, die Aussagen deutlicher geworden. Wenn wir Journalisten diesen „Spirit“ in den Aussagen transportieren, bewegt sich anschließend manchmal sogar etwas.

Nun ist der Beschluss des Bundeskabinetts, den Bio-Anteil in Kantinen des Bundes auf 20 Prozent zu erhöhen, nicht zwangsläufig auf meinen Beitrag Der Spirit der Vordenker im Slow Food Magazin zurückzuführen. Aber zumindest lässt sich davon ausgehen, dass Bundesministerin Julia Klöckner die ihr Ministerium betreffenden Medienberichte in der täglichen Auswertung vorgelegt bekommt und die öffentlichen Debatten dazu wahrnimmt.

Spirit
Längst ein Vordenker: In den psychiatrischen Kliniken des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster und Lengerich wurde schon 2004 auf Bio-Essen gesetzt. Heute liegt der Bio-Anteil bei rund 25 Prozent. Ich sprach mit der Ernährungsberaterin Birgitta Lohmann, dem Küchenleiter Ralf Gremme und dem kaufmännischen Direktor Thomas Voß. Ihr Beispiel wurde im Beitrag „Engagement gegen den Rotstift“ erwähnt, der ebenfalls im Rahmen des Dossiers im Slow Food Magazin 3/2021 erschien. Foto: Silke Liebig-Braunholz

Mangelnde Vorbild- und Multiplikatorenfunktion

Einige der Protagonisten in meinem Beitrag sprachen zumindest auch im Gespräch mit mir die mangelnde „Vorbild- und Multiplikatorenfunktion“ des Bundes in diesem Bereich an, den die Ministerin jetzt hervorhebt. Ich habe diesen Aspekt in meinem Beitrag nicht ausdrücklich erwähnt; mich vielmehr auf die positiven Beispiele konzentriert. Denn ich wollte vor allem den Spirit der Vordenker transportieren und das Thema damit indirekt vermitteln.

Nun lässt sich feststellen, dass es jene Beispiele sind, die Schwung in längst überfällige Notwendigkeiten bringen und die Themen setzen. Die Politik setzt hier viel zu spät ein Zeichen und ist nun im Jahr 2021 keineswegs ein Vorbild. Wie wichtig aufrüttelnder Journalismus ist und wie gut, dass es Medien gibt, die diese Themen setzen, zeigt das Beispiel ebenfalls.

Jetzt also Clubhouse oder wie eine App viral gehen kann

Am Samstagabend ging bei mir eine Einladung zu der Social-Network-App Clubhouse auf meinem iPhone ein. Seitdem beschäftige auch ich mich mit dem Hype, der in der vergangenen Woche in Deutschland Fahrt aufnahm. Nach einigen mehr oder weniger aufregenden Besuchen in den Voice-Chat-Räumen, in denen Menschen spontan zusammen kommen und zu einem vorgegebenen Thema miteinander sprechen, ist das Resümee genauso ernüchternd wie positiv.

WICHTIGE INFORMATION ZUR NUTZUNG VON CLUBHOUSE und ERFAHRUNGEN EINER NEW YORK TIMES REPORTERIN IM UMGANG MIT CLUBHOUSE

Clubhouse
Die laienhaft anmutende Startseite der App Screenshots (2): Silke Liebig-Braunholz

Paul Davison entwickelte Clubhouse als Call-in-Show im Radio-Stil

Mal abgesehen von der Tatsache, dass ein Hype auch vorübergeht, werden wir mittlerweile in ziemlich eng getakteten Zeiträumen von derartigen Phänomen überrollt. Jetzt ist es also Clubhouse, eine digitale Kommunikationsplattform, die Paul Davison entwickelt hat. In diesem Beitrag steht alles was man über ihn, sein Startup Alpha Exploration Co. und die App wissen muss, in der man zum Beispiel über die angelegten Kategorien (siehe Foto) in die einzelnen Räume gelangt. Diskutiert wird hier unter anderem in Talks wie dem „Rindfleischgeflüster“ oder „Food, Gastro, Friends & Family“, aber auch über die aktuellen Probleme der Gastronomie, die Zukunft des Tourismus oder der Kreuzfahrtindustrie. Dort habe ich schon Diskussionen zuhören dürfen, die weitaus tiefer gingen als es beispielsweise ein Talkshow-Format im Fernsehen jemals präsentieren könnte. Für Journalisten könnten sich hier deshalb demnächst sogar neue Themenschwerpunkte finden lassen. Das ist positiv.

Clubhouse Conversations
Freie Themenauswahl in der Kategorieleiste

Investoren-Armada aus dem Silicon Valley wirft eine Plattform nach der anderen auf den Markt

Ernüchternd sind allerdings die Fragezeichen hinter dieser neuen Plattform, hinter denen beispielsweise der Autor des Beitrags zu Clubhouse steht, auf den ich im vorhergehenden Absatz hingewiesen habe. Josh Constine ist ein Journalist am Ende einer Kette, die mich letztendlich zu diesem Netzwerk eingeladen hat und die man nachverfolgen kann, wenn man erstmal Clubmitglieder ist. Denn mit dem aus dem Marketing bekannten Schneeballsystem, versuchen Investoren, hinter denen die Risikokapitalgesellschaft Andreessen Horowitz im Silicon Valley steckt, sowie zahlreiche Prominente momentan, auf die App aufmerksam zu machen. Dafür laden sie Kontakte aus ihrem Umkreis ein, die der App dann wiederum Zugang zu den auf ihrem Handy befindlichen Kontakten ermöglichen sollen – dies allerdings nicht müssen, wenn sie die dafür notwendigen Handgriffe kennen und dem Zugriff nicht zustimmen.

Nicht ohne Grund stehen am Anfang der Kette allerdings vor allem bekannte Persönlichkeiten aus den Medien sowie auch Journalisten und Politiker, die gern auf den Hype aufspringen und wissen wollen, wie Kommunikation auf dieser Ebene funktionieren kann. Nicht ausmalen möchte ich mir jedoch, wie viele auch meiner Kontakte ihr Adressbuch mittlerweile freigegeben haben und der App damit einen schier endlos scheinenden Kontaktbonus offenbaren, der Clubhouse bald zur Verfügung stehen wird.

Für den Erfolg dieser Strategie sprechen damit ausgelöste Skandale wie der um den Politiker Bodo Ramelow, den man aus Sicht der Markteinführung dieser App im deutschsprachigen Raum auch als Bauernopfer bezeichnen könnte. Spätestens mit seinem Auftritt in einem der Räume auf Clubhouse ging die App viral.