Die Upländer Bauernmolkerei ist ein Vorzeigeprojekt für Geschäftsmodelle der Zukunft. Nach 14 Jahren sind die ehemaligen Visionäre in der Wirklichkeit angekommen und haben großen Zulauf. Die Zeiten, in denen die Betreiber der Molkerei belächelt worden, sind endgültig vorbei. Silke Liebig-Braunholz sprach mit ihnen darüber
„Wir hatten wenig Rückhalt. Selbst der ehemalige Hessische Minister für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, Wilhelm Dietzel glaubte nicht an uns“, erzählt Bauer und Aufsichtsratsvorsitzender der Upländer Bauernmolkerei, Josef Jacobi. Ein wenig stolz klingt dabei im Unterton mit. Denn längst ist die Molkerei etabliert, hat namhafte Kunden wie Alnatura, tegut, Edeka, Rewe oder Hipp und beschäftigt sich gerade mit Investitionsgedanken. „Ja, es ist eng geworden. Wir müssen einigen Bauern, die uns ihre Milch liefern wollen, absagen“, erzählt Geschäftsführerin Karin Artzt-Steinbrink. Das wird sich hoffentlich bald ändern.
Verbraucher hat Macht
Denn die Erfolgsgeschichte im Upländer Ort Usseln zeigt, das der Verbraucher sehr viel mehr Macht besitzt als er vielleicht zu denken glaubt. „Wenn die Konsumenten mitziehen, sehe ich überhaupt keine Schwierigkeiten beim Absatz unserer Milch“, prognostiziert Josef Jacobi das Bild der Zukunft. So selbstbewusst berichtete er auch auf der jüngsten Slow Food Messe in Stuttgart in einer Diskussionsrunde zu den Themen Lebensmittelbündnisse und Zukunftsprojekte über die Arbeitsweise der Molkerei: „Wir zahlen unseren Bauern faire Preise, derzeit beträgt der Milchpreis 40 Cent pro Liter Bio-Milch. Seit der Einführung des Logos ‚Erzeuger fair Milch’ haben wir die Preise im Handel sogar erhöht und dies unseren Kunden transparent gemacht.“ Seitdem stieg der Absatz an. Die Käufer der Milch zahlten freiwillig mehr Geld für ein gutes Produkt.
Öffentlichkeitsarbeit sei das A und O. Die Upländer haben erkannt, dass der Verbraucher Informationen braucht und sehr viel Geld in ihr Marketing gesteckt. Heute präsentieren sie sich mit einem exzellenten Außenauftritt und überzeugen glaubhaft. Vier Mal im Jahr versenden sie 200.000 Exemplare ihrer Hauszeitung. Das alte Molkereigebäude wurde zum Museum ausgebaut und leistet mit einer Dauerausstellung einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über die Molkereiwirtschaft und Milchverarbeitung. 15.000 Besucher sind es mittlerweile, die jedes Jahr den Weg nach Usseln in das Milchmuhseum finden. „Anfangs waren wir die Biolandwirte aus Nordhessen, die sich in einer Milcherzeugergemeinschaft zusammen geschlossen hatten. Heute stehen wir für faire Preise, ein gewaltiges Stück Heimat und ein großes Engagement gegen Gentechnik“, sagt Artzt-Steinbrink. Sie ist seit 1996 dabei, hat einst viel Überzeugungsarbeit geleistet und brennt noch immer für die geniale Idee dieses hessischen Zusammenschlusses, der längst das Nachbarbundesland Nordrhein-Westfalen erreicht hat. Die Milcherzeugergemeinschaft als eingetragener Verein ist Hauptgesellschafter der Betreibergesellschaft der Molkerei. Bauern, die Milch liefern wollen, werden Mitglied in diesem Verein und halten so die Mehrheit am Unternehmen. Daneben sind private Gesellschafter an der Molkerei beteiligt. Zudem hat der Bund für Umwelt und Naturschutz einen Fond angelegt, aus dem ebenfalls Geld in die Molkerei fließt. Dieses System habe sich bewährt und sei letztendlich auch ein Garant für das Wachstum, so Artzt-Steinbrink.
33 Millionen Liter Milch pro Jahr
Mittlerweile liefern 135 Bauern Milch in die Upländer Molkerei. Anfangs waren es 18 Landwirte, die etwa eine Million Liter Jahresmenge erzeugten. Inzwischen produzieren die Upländer 33 Millionen Liter Milch und nur noch in Bioqualität. Die Produktion der konventionellen Milch hat die Molkerei an eine benachbarte Milcherzeugergemeinschaft abgegeben. Zuvor hatten die Upländer noch die hohen gesetzlichen Auflagen hin zur gentechnikfreien Molkerei erfüllt und waren 2005 die erste Molkerei in Deutschland, die das Logo ‚Ohne Gentechnik’ auf die Produkte drucken durfte. „Wir sind gegen Gentechnik, weil sie die Bauern in Abhängigkeiten treibt“, sagt Jacobi. Mit der vorbildlichen Arbeit der Upländer Bauernmolkerei versuche er Bewusstsein zu schaffen. Weggefährten wie das kanadische Farmerehepaar Louise und Percy Schmeiser sind gute Freunde der Bauern aus Usseln. Auf seiner letzten Deutschlandreise besuchte Percy Schmeiser die Molkerei und sprach dabei auch über seine Erfahrungen mit dem Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut in Kanada. „Es kann keine Koexistenz zwischen biologischem Anbau, konventioneller Landwirtschaft und dem Anbau gentechnisch veränderten Saatgutes geben. Wir stehen an einem Scheideweg, dessen Richtung über eine gesunde oder gentechnisch verseuchte Zukunft entscheidet“, mahnte der 79-Jährige.
Für seinen Kampf gegen die Praktiken des US-Agrarkonzern Monsanto erhielt er gemeinsam mit seiner Frau von der Right Livelihood Award Stiftung den Alternativen Nobelpreis, der Menschen und Initiativen ehrt, die Lösungen für die dringendsten Probleme unserer Zeit finden und erfolgreich umsetzen. Die Schmeisers hatten einen Musterprozess gegen Monsanto geführt und das Unternehmen auf die Haftung für die Verunreinigung ihrer Felder mit Genraps verklagt. Sie forderten Schadensersatz für die Zerstörung ihres selbst entwickelten Raps-Saatguts, in dem 50 Jahre Forschung und Entwicklung steckten.
Kein Verständnis für Gentechnik
Durch ihren Mut und die Standhaftigkeit gegen den Konzerngiganten sind die Schmeisers zu Symbolfiguren im Kampf gegen Gentechnik geworden und Vorbild für die Bauern der Upländer Molkerei, die erst im März 2010 den Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e.V. mit begründet haben. „Wir brauchen diese Technik nicht“, sagt Josef Jacobi. Sie arbeite gegen die Natur und verändere die Produkte. Denn: Gentechnisch veränderte Pflanzen bleiben nicht dort, wo sie ausgesät werden, sondern verbreiten sich durch Pollen- und Samenflug unkontrolliert über weite Strecken. Sie kreuzen sich mit verwandten Wildpflanzen und artgleichen Kulturpflanzen, die damit durch manipulierte Gene verunreinigt werden – mit unumkehrbaren Folgen. Josef Jacobi hält deshalb nichts von diesem Wahn, die Erträge und die Qualität der Agrarproduktion deutlich zu verbessern, wie der Monsanto-Konzern seine Zielsetzung auf der Konzernhomepage umschreibt.
Aufzucht ohne Einsatz von Hormonen und Antibiotika
Viel wichtiger ist Jacobi der Erhalt der natürlichen Ressourcen. Die Milch der Molkerei stammt noch von Kühen, die nach den Richtlinien des Bioland Verbandes artgerecht gehalten werden. Sie verfügen über ausreichend Bewegungsfreiraum, Stroheinstreu, natürliches Licht und werden mit ökologisch angebauten Erzeugnissen gefüttert. Die Kälber werden mit betriebseigener Vollmilch aufgezogen. Hormone und andere Medikamente zur Vorbeugung sowie Antibiotika als Masthilfe werden nicht eingesetzt. Außerdem sorgt ein spezielles Filterverfahren in der Produktion dafür, dass die Milch besonders schonend hergestellt wird und seine wertbestimmenden Bestandteile erhalten bleiben. So bleiben die Produkte, die anschließend pasteurisiert werden, bis zu 12 Tage haltbar. Von einer längeren Haltbarkeit hält Josef Jacobi wenig. „Milch ist ein lebendiger Stoff. Haltbare Milch wie ESL- oder H-Milch kann daher nur tot sein“, erklärt er.
Für das 15 Produkte umfassende Sortiment der Bauernmolkerei bedeutet dies jedoch, einen schnellen Abverkauf zu steuern. „Wir beliefern beispielsweise die Schulen mit Vollmilch sowie Schoko- und Vanillemilch. Diese Produkte sind sehr begehrt“, sagt Artzt-Steinbrink. Hinzu kommen Produkte wie die Upländer Buttermilch, Bio-Butter, Schmand oder auch Käse, die unter anderem im Molkereiladen angeboten werden. „Unser Sortiment kommt an. Trotzdem arbeiten wir ständig daran, dieses zu erweitern“, erklärt die Geschäftsführerin. 50 Mitarbeiter beschäftigt die Molkerei mittlerweile. 30 davon in der Produktion, 10 in der Verwaltung und weitere 10 im Museum und Verkauf. Damit ist die Milcherzeugergemeinschaft zu einem mittelständischen Unternehmen herangewachsen, das es sich auch leisten kann, an Milchstreiks teilzunehmen. 2008 beteiligten sich die Upländer 4 Tage, 2009 waren es zwei Tage, an denen die Landwirte auf ihr Milchgeld verzichteten. Dafür kaufte die Molkerei Milchpulver, das anschließend zu einem Hersteller für therapeutische Kindernahrung geliefert wurde. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen versorgte damit 2000 akut mangelernährter Kinder in Krisen- und Konfliktgebieten.
erschienen im Slow Food Magazin
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