„Wir wollen, dass gute Dinge Bestand haben“

In der Landfleischerei Neumeier ist die Zeit im positiven Sinne stehen geblieben. Hier wird noch nach herkömmlicher Art im Haus geschlachtet. Carsten Neumeier ist ein Verfechter überlieferter Traditionen und begeistert von der Slow Food Philosophie.

Carsten Neumeier
Carsten Neumeier

Von unserer schnelllebigen Zeit hält er nichts: „Wir wollen, dass gute Dinge Bestand haben“, mahnt er aus Achtung vor der Natur und dem Wert der Arbeit. Sein zentrales Anliegen umschreibt er mit der Verantwortung gegenüber Mensch und Tier. Dennoch ist Carsten Neumeier kein Tagträumer. Hinter seinem verschmitzten Lächeln und dem legeren Hut stecken ernsthafte Gedanken um die Nachhaltigkeit unseres täglichen Handelns. Schnell liefert er Argumente für seine Überzeugungen, an die er sich seit der Übernahme des Traditionsbetriebes seiner Familie im Jahre 1991 hält.

Langjährige Beziehungen zu den Bauern

Sein Großvater hatte einst mit der Hausschlachtung begonnen. Der landwirtschaftliche Betrieb unterhielt Schweine und Kühe. Nebenbei entstand das Ladengeschäft in dem Ortsteil von Hessisch Lichtenau, direkt an der Hauptstraße gelegen. Die Eltern von Carsten Neumeier hatten den Betrieb 1968 übernommen, ein Schlachthaus gebaut und das Unternehmen stetig vergrößert. Anfang der 80er Jahre gaben Erich und Marianne Neumeier die Landwirtschaft allerdings auf und bezogen ihre Tiere von regionalen Bauern. Die langjährige Beziehung zu Bauer Reuter im benachbarten Ortsteil Fürstenhagen, Bauer Proll im Nahe gelegenen Guxhagen-Wollerode und Bauer Kraus im mittelhessischen Wildeck-Richelsdorf begann.

Heute verweist Carsten Neumeier gern auf diese Verbundenheit. „Wir fühlen uns dieser Region leidenschaftlich verpflichtet. Durch den engen Kontakt zu unseren Lieferanten entfallen unnötig lange Transportwege. Das sichert den Qualitätsstandard, weil wir die absolute Kontrolle über alle Rohstoffe haben“, sagt der Fleischermeister, der auch Betriebswirt des Handwerks ist. Jeder der drei Bauern hält bis zu 400 Schweine. Hinzu kommen etwa 300 Schweine von Bio-Bauer Henkel in Morschen im Schwalm-Eder-Kreis. Sie leben auf Stroh und werden langsam und schonend gefüttert. Die Verwendung von Antibiotika oder Wachstumsförderer sind bei Bauer Henkel tabu. Neumeier holt die Schweine bei ihm nach acht Monaten ab und bringt sie behutsam nach Walburg in das seit dem 29. November 2007 nach EU-Richtlinien zugelassene Schlachthaus. Er war der erste in Hessen, der die Zulassung als Schlachthof für Schweine, Zerlegungsbetrieb für frisches Fleisch von Schweinen sowie als Herstellungsbetrieb für Gehacktes/Faschiertes und für Fleischerzeugnisse aus Schweinefleisch aus Brüssel erhielt.

Geprüfte Qualität aus Hessen

Der Firmenchef und drei weitere Mitarbeiter schlachten pro Woche im Schnitt 15 Schweine. Bis zu 500 Ahle Würschte und das Fleisch für den Laden im Ort werden daraus produziert. Einmal im Jahr prüft die Agrar-Beratungs- und Controll GmbH aus Alsfeld den Betrieb und die Qualität der Ware. Carsten Neumeier bekommt dann wieder das Zertifikat über die Durchführung des Qualitätssicherungssystems der Qualitätsmarke Geprüfte Qualität Hessen und sein Bio-Siegel nach EG-Öko-Verordnung – ein Beweis für die Erfüllung hoher Standards. 2007 erhielt er zudem das CMA-Testat Goldmedaille mit Prädikat.

Die begehrte Ahle Wurscht Fotos (2): Silke Liebig-Braunholz
Die begehrte Ahle Wurscht Fotos (2): Silke Liebig-Braunholz

Im Produktionsprozess schließt sich letztendlich der Kreis der hohen Qualitätsrichtlinien durch die Verarbeitung des schlachtwarmen Fleisches. Dieses wird unmittelbar nach dem Zerlegen verwurstet, erhält dadurch seinen Eigengeschmack und hat eine hohe Qualität. „Das Fleisch ist fester im Schnitt und hat eine sehr gute Bindefähigkeit, weil es bei der Verarbeitung noch viele Eigenphosphate enthält“, erklärt Neumeier. Nach etwa zwei Stunden seien diese bei Schweinen beispielsweise durch die Totenstarre nicht mehr vorhanden und müssten letztendlich wieder zugeführt werden, um das Fleisch optimal zu verarbeiten. Am Ende enthält es zuviel Wasser und Fett.

Verfechter der Warmfleischverarbeitung

Eine inakzeptable Vorstellung für den nordhessischen Fleischermeister, der genau aus diesem Grund nicht von der Warmfleischverarbeitung abweichen wird. Schon sein Großvater Willi habe ihm immer davon erzählt, dass er sich bei der Herstellung der Ahlen Wurscht sehr beeilen müsse, um eine hervorragende Qualität zu gewährleisten. Er fand heraus, dass sich der Geschmack der Wurst durch die Verarbeitung des Fleisches unmittelbar nach der Schlachtung verbesserte. Diese einstige Intuition sei heute wissenschaftlich belegt. „Das typische Hausmacheraroma, das den Menschen früher bei der eigenen Hausschlachtung die Nasenflügel beben ließ, ist nur dann erreichbar, wenn das Schwein schlachtwarm verarbeitet wird“, betont der Enkel.

Auch bei der Verwendung der Zutaten während der Wurstproduktion ist Neumeier konsequent. Er legt viel Wert darauf, seine Produkte immer weiter zu optimieren. Schon vor Jahren begann er damit, Brüh- und Kochwürste ohne Zusatzstoffe wie beispielsweise Phosphate, Emulgatoren, Laktose, Gluten, Nitrate oder Geschmacksverstärker herzustellen. Daraus entstand unter anderem seine Eigenmarke, der Hessisch-Walburger, ein etwas anderer Fleischkäse aus 100 Prozent Schweinefleisch und im Niedrigtemperatur-Bereich acht Stunden schonend im Ofen gebacken. Auch er wird mit reinen Naturgewürzen hergestellt, die in der Landfleischerei eigens gemahlen und gemischt werden. Grundsätzlich verwende der Meister schwarzen Pfeffer, Muskat, Salinensalz, Kümmel und frischen Knoblauch für seine Produkte. Traditionell gehöre auch ein Schuss Rum in den Fleischwolf: „Der Schnaps muss 54 Prozent haben, weil das schon mein Großvater so gemacht hat“, sagt Neumeier. Das Salinensalz habe keine chemischen Zusätze und für die langsame Reifung verwende er noch Zucker und Salpeter. Jedoch niemals Schnellreifemittel, Farbstoffe oder etwa Farbstabilisatoren. Schließlich würde beispielsweise die Ahle Wurscht damit ihren natürlichen Geschmack und ihre Färbung verlieren.

Die mürben Rohwürste sind Unikate

Das entspräche überhaupt nicht der Philosophie Neumeiers. Seine Unikate sind mürbe Rohwürste, die aus reinem schlachtwarmen Schweinefleisch von alten schweren Schlacht- oder Wildschweinen aus dem Naturpark Meißner hergestellt werden. Bis zum Verzehr müssen sie mindestens sechs bis zwölf Monate lang im Naturdarm in der Lehm-Kammer einer rund einhundert Jahre alten Scheune reifen, bei niedrigen Temperaturen und einer hohen Luftfeuchtigkeit. Und weil dieser Platz so rustikal und urig ist, laden sich Carsten Neumeier und seine Frau Carina hierher immer wieder Gäste ein. Gruppen und Vereine bietet die Landfleischerei in der sogenannten Wurschtescheune kurzweilige Unterhaltung mit den Hausmacher Spezialitäten aus der Fleischerei. Dazu verrät der Firmenchef Details über die Herstellung der Ahlen Wurscht und reicht zum Abschied sogar einen Schnaps.

erschienen im Slow Food Magazin

Fairer Visionär

Christof Gensler ist überzeugt, dass er mit seinem Handeln Lebensräume erhalten kann. Der Biobauer und -bäcker arbeitet grundsätzlich mit Lieferanten aus dem näheren Umkreis. Damit gibt er auch seinen Rhöner Geschäftspartnern eine Chance. Silke Liebig-Braunholz sprach mit dem leidenschaftlichen Regionalvermarkter

Christof Gensler
Christof Gensler backt das Brot noch traditionell in seinen Steinbacköfen Foto: Silke Liebig-Braunholz

Es soll Menschen geben, die behaupten, Christof Gensler sei zu fair. Darüber kann der 47-Jährige nur kopfschüttelnd schmunzeln. Schließlich definiert sich seine Arbeit nur über die hohe Qualität seiner Produkte, nicht aber über den Preis. Die hohe Achtsamkeit auf eine ursprüngliche Herkunft der Zutaten und den verantwortungsvollen Umgang mit dem Produkt schließen einen übermäßigen Profit aus. Dafür ermöglicht sie die regionale Wertschöpfung: „Kleine Chargen zu einem angemessenen Preis – das ist unser Motto. Viele Kunden schätzen dies“, sagt der Biobauer. Pro Jahr zählt er rund 10.000 Besucher auf seinem Hof in Poppenhausen an der Wasserkuppe, dem höchsten Berg in Hessen. Sie motivieren und bestärken ihn in seinem täglichen Tun.

Er schätzt intakte Lebensräume

„Visionäre wie ich können keine Massenproduzenten sein“, sagt Gensler. Er schätzt intakte Lebensräume mit reinen Lebensmitteln. Die Natur habe die vielen Zusatzstoffe in konventionellen Produkten nicht geschaffen, weiß er und verfechtet vielleicht auch deshalb den regional biologischen Wareneinsatz.

Möglich macht dies auch die lange Tradition des Familienbetriebes, den Christof Gensler gemeinsam mit Ehefrau Petra seit 1985 in 3. Generation führt. Sein Vater Hubert hatte einst an der traditionellen Wirtschaftsweise auf dem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb festgehalten und sich geweigert Brot vom Bäcker zu essen. Dafür wurde ein Holzbackofen gekauft, in dem Mutter Gertrud das Rhöner Holzofenbrot in Handarbeit und mit lang gereiftem Natursauerteig hergestellt hat. Der Junior führte den Betrieb schließlich zur 100-prozentigen ökologischen Wirtschaftsweise. Seit 1998 ist der Hof anerkannter Bio-Betrieb mit Landwirtschaft, Backstube, Bauernladen, Brotzeitscheune und Biergarten mit 130 Plätzen, Indianer-Hotel mit acht Tipi-Zelten und 60 Übernachtungsplätzen sowie einer Erlebnisbäckerei.

Besuch von einem südamerikanischen Indianer

„Wer bei uns einmal eigenständig ein Brot herstellt, hat Zeit seines Lebens sein Bewusstsein verändert“, behauptet Gensler. Dies gilt jedoch auch für die anderen Betriebszweige – auf dem Biohof in Poppenhausen tut sich etwas in den Gedanken der Besucher. Christof Gensler ist immer noch beeindruckt von dem Besuch eines südamerikanischen Indianers, der einst vor seiner Tür stand und nach dem Sinn des Lebens suchte, weil er in der Lebensmitte nichts mehr mit sich anzufangen wusste. „Wir haben hier schon vielen Menschen die Ursprünge unseres Daseins ein wenig näher bringen können“, sagt der Landwirt. Bis zu 50 Fachexkursionen führt er mit seinen zehn Mitarbeitern jedes Jahr durch. Neben Landwirten und Regionalentwicklern, kommen vor allem auch Umwelt- und Landwirtschaftsminister nach Poppenhausen. „Sie wollen unsere Philosophie kennen lernen. Wir nennen es Bildungsarbeit für eine nachhaltige Entwicklung“, sagt Gensler.

Von der Urproduktion der Lebensmittel lernen

Deshalb fängt er auch bei den Kindern an und hat die Erlebnisbäckerei ins Leben gerufen. Rund 200 Kindergruppen sind jedes Jahr auf dem Biohof. Es gibt kein Kind im Landkreis Fulda, dass während seiner Schulzeit nicht einmal bei den Genslers war. Sie backen hier ihre eigenen Produkte und lernen die Urproduktion der Lebensmittel kennen. Drei traditionelle Steinbacköfen hat Christof Gensler in seiner Bäckerei stehen. Alle werden noch mit Holz gefeuert, das jeden Abend in die Öfen gesteckt und in der Nacht verbrannt wird. Nach dem Reinigen können die Brote am Morgen auf den heißen Steinen gebacken werden. Neben dem klassischen Roggenbrot, entstehen die Sorten Mehrkorn, Dinkel und Roggenvollkorntoast. Außerdem werden Brötchen gebacken und wenn der Ofen abgekühlt ist auch der beliebte Rhöner Zwiebelsploaz – ein Zwiebelkuchen mit Roggenteig, von dem Gensler mittlerweile zwölf verschiedene Variationen herstellt.

Partnerbetrieb des Biosphärenreservats Rhön

Die Verwendung ökologischer Zutaten aus der Rhön ist für den Betrieb, der Mitglied in der Erzeugergemeinschaft Rhönhöfe Ökologische Lebensmittel sowie im Thüringer Landesverband Gäa-Vereinigung Ökologischer Landbau e. V. ist, eine Selbstverständlichkeit und Verpflichtung zugleich. Als einer der ersten Betriebe der Rhön überhaupt wurde der Biohof als Partnerbetrieb des Biosphärenreservats Rhön anerkannt – eine Auszeichnung für Betriebe mit einem besonders hohen Einsatz ökologisch erzeugter regionaler Produkte. Für diese Produkte ist dem überzeugten Visionär keine Mühe zu viel. Er arbeitet mit drei Lieferanten zusammen, die für ihn das Getreide anbauen – früher wurde selbst dieser Produktionsschritt von der Familie übernommen.

Heute greift Gensler auf ein Netzwerk zwischen Biolandwirten und Produzenten zurück, die eine durchgängig hohe Qualität garantieren können, weil sie sich ergänzen. In einem Umkreis von höchstens 80 Kilometern wird das Getreide bei den Landwirten Hartmann in Fliedern, Limpert in Tann und May in Junkershausen angebaut, so dass Gensler wählen und selbst eine verregnete Saison von einem Partner überbrücken kann. Pro Jahr lässt er bis zu 30 Tonnen Getreide anbauen, die er dann in einer zum Familienbetrieb immer noch gehörenden Mühle einlagert, um sich so jede Woche sein Mehl mahlen zu können. Damit entstehen dann beispielsweise auch die beliebten Rhön Kracher – ein Knäckebrot ohne Hefe gebacken, mit Gewürzen, Kürbiskernen, Sesam, Mohn oder einem Müslimix verfeinert. Das Brot besteht ansonsten aus 28 Prozent Dinkelmehl, 14 Prozent Roggenmehl, 14 Prozent Weizenmehl, 6 Prozent Sauerteig, 5 Prozent Butter, 2 Prozent Meersalz und 31 Prozent Wasser.

Mehr als 400 Produkte im Bauernladen

Von der staatlich zugelassenen Öko-Kontrollstelle gemäß EG-ÖkoVO Agreco lässt Gensler zweimal im Jahr die ökologischen Produktionsmethoden in seiner Bäckerei und auf dem Biohof überprüfen. Neben den Backwaren produziert der Betrieb auch zertifiziertes Biorindfleisch. Die Rinder dafür werden auf rund 20 Hektar Land gehalten und mit Heu von Biowiesen gefüttert. Etwa 20 Tiere bilden eine kleine Herde, die eine geringe Mastintensität aufweist und robust ist – beste Voraussetzungen für den Anspruch des Landwirts an seine Fleischqualität.

Die Produkte werden anschließend und nach der Feinverarbeitung über den Bauernladen oder auf regionalen Märkten angeboten. Der Betrieb verkauft bis ins Rhein Main Gebiet und betreibt einen Lieferservice. Schließlich bietet der Bauernladen in Poppenhausen über 400 Produkte an, die viele Kunden auch im Versandhandel bestellen. Bio-Apfelsäfte, Bio-Ziegenkäse, Bärlauch-Pesto oder Rhöner Bio-Fleisch können so erworben werden. Christof Gensler vertreibt auch die Produkte von Partnerbetrieben, die sich dem ursprünglichen Rhöngenuss verschrieben haben müssen, ein Partnerbetrieb des Biosphärenreservats oder ein geprüfter Bioproduzent mit einem reinen Bioprodukt aus der Region sind.

Umweltfreundlich wirtschaften

Die Früchte von den rund 150 Streuobstbäumen auf dem Biohof vertreibt er selbst. Schließlich ist Gensler auch Mitglied in der Rhöner-Apfelinitiative, die sich im besonderen Maße für den Erhalt der Streuobstwiesen einsetzt. Nicht zuletzt gehört der Visionär auch zu den Biopionieren des Biosphärenreservats der Rhön, die nach nachhaltigen Kriterien arbeiten. Diese Gemeinschaft wurde von Unternehmern gegründet, die unsere Welt ein bisschen schöner und besser gestalten wollen. Dafür wirtschaften sie umweltfreundlich, auch wenn das mühsamer ist. Zudem geben sie ihrem Tun einen Sinn, denken nach vorn und sind innovativ – Attribute, die zweifelsohne auch für Christof Gensler gelten, der mit seinem Biohof längst ein Stück weit Geschichte geschrieben hat.

erschienen im Slow Food Magazin

Im Café Pammel gibt’s Kaffeemühlen wie Sand am Meer

Seit Petra und Jörg Bergemann noch mal 300.000 Euro in ihr Café Pammel investiert haben, wirkt dieses mondän und lässt dennoch Details der langen Tradition entdecken. Dazu gehört unabdingbar die Kaffeemühlensammlung mit den 270 Unikaten.

Café Pammel
Ein Teil der Kaffeemühlensammlung im Cafe Pammel Fotos (4): Silke Liebig-Braunholz

„Als wir das Haus übernahmen war es rentabel und eine feste Größe in der nordrheinwestfälischen Kreisstadt Höxter. Seit 1930 steht der Name Pammel mitten in der Fußgängerzone für beste Caféhaus-Tradition“ erzählt Jörg Bergemann. Deshalb hat er zunächst erstmal den Alltag beobachtet, die Gästestruktur analysiert und gemeinsam mit einem Betriebsberater erste Veränderungen erdacht. Vier Jahre später folgte die erste Investition in eine neue Theke im blauen Ton und in Kirschholz-Optik. Das Ladengeschäft, in dem vor allem im Winter viele Confiserieartikel verkauft werden, blieb im bekannten Stil bestehen. „Mit diesem Schritt haben wir bei den Kunden einen Aha-Effekt ausgelöst. Nach dem Einkauf im Laden kommen viele nach oben in das Cafe. Da war das Staunen vorprogrammiert. Wir hatten die Stammgäste an erste Neuerungen gewöhnt“, sagt Jörg Bergemann.

Mit einem Unikat am Markt

Einige Jahre später wurde jedoch der Laden völlig neu gestaltet – das Café Pammel sollte sich diesem Erscheinungsbild anpassen. Bergemann hatte dafür mit Elisabeth Küper eine Beraterin engagiert, die seit vielen Jahren bei der Erstellung von zeitgemäßen Läden für Handel und Industrie behilflich ist. Das neue Konzept war gewagt: Geschäft und Café präsentieren sich seither in schwarz-weißem Look mit einer klaren Linie. „Sie hat eine Menge Details auf den Punkt gebracht. Das hat mich beeindruckt. Stühle und Tische wurden beispielsweise eigens für unser Haus produziert. Es ist nichts aus der Konserve. Wir sind dadurch mit einem Unikat am Markt präsent und nicht austauschbar“, erzählt der Chef.

Die Konditorenmeister Petra und Jörg Bergemann.

Hier sieht Bergemann auch die meisten Chancen für seine eigene unternehmerische Zukunft. Angebote, die sich gleichen seien langweilig. Als Inhaber eines Betriebes wie dem Café Pammel müsse man sich ständig rühren: „Wenn es mal zu ruhig ist, schauen wir sofort woran es liegt“, gesteht Bergemann. Deshalb passte er dem neuen Ladenkonzept auch sein Angebot an. In der turbulenten Ferienzeit werde die Fachwerkstadt oft von Bustouristen besucht. Dann kommen Gästemassen in das Café. „Wir konnten diesem Andrang nicht gerecht werden und haben sogar unsere Individualgäste vernachlässigt. Das gefiel uns nicht, weshalb wir unser Angebot entsprechend optimiert haben“, erzählt Petra Bergemann.

Café Pammel
Heute präsentiert sich das Cafe Pammel schlicht und in einer klaren Struktur.
Buffet und Kaffee satt

Nun gibt es von allem ein bisschen weniger. Die vielen Varianten wurden reduziert. So könne das Team seinem hohen Anspruch an Frische gerecht werden und die Qualität bei der Zubereitung der Ware sichern. Auch die Tagesgerichte sind entfallen. Dafür gibt es eine größere Vielfalt an kleinen Speisen. „Wir wollen mit besonderen Angeboten punkten. Dazu gehört für uns die schnelle kleine, aber frische hochwertige Mahlzeit für zwischendurch“, sagt Bergemann. Der Bayerische Topfenstrudel für 2,60 Euro beispielsweise ist ein Renner im Caféhaus, genauso wie das Frühstücksangebot. Für 8,40 Euro gibt es Buffet und Kaffee satt. Bis zu zwei Stunden Aufenthalt seien für die Gäste normal. Im Anschluss nehmen viele von ihnen sogar noch die selbst hergestellte Konfitüre aus dem Café Pammel mit, die ihnen am Bufett am besten geschmeckt hat. „Das ist ein nicht zu unterschätzender Umsatzbringer in unserem Ladengeschäft. Das Frühstücksbufett enthält deshalb mindestens zwölf Sorten unserer Angebote, damit die Gäste auf den Geschmack kommen“, sagt Jörg Bergemann.

Café Pammel
Umsatzbringer Präsente: Der Hexenpunsch ist ein beliebtes Mitbringsel aus der Fachwerkstadt Höxter.

Mit seinen Ideen konnte das Inhaberehepaar letztendlich den Umsatz stetig steigern. 40 Prozent der Gesamtsumme mache der Ladenbetrieb aus, 60 Prozent das Caféhaus mit dem Straßenverkauf. Dafür hat Konditormeister Bergemann auch das Speiseeis einer Rezeptinnovation unterzogen. „Wir haben unser Eis immer selbst hergestellt. Mit der neuen Theke im Ladengeschäft präsentieren wir nun aber dekoriertes Eis. Wir arbeiten mit Frischjoghurt und zersetzen das Eis mit unseren Soßen, wie beispielsweise Holundersoße. Am Ende wird das Eis noch dekoriert“, erzählt Bergemann, der die Glasfront des Geschäfts im Sommer öffnet, damit die Theken entsprechend wahrgenommen werden.

Reich an Geschichten

Ein ebenso nicht zu unterschätzender Umsatzbestandteil ist das Präsentangebot. Der regionale Bezug hilft bei der Auswahl der Themen. Höxter ist reich an Geschichten, Dichter wie Hoffmann von Fallersleben hinterließen hier ihre Spuren. Die ehemalige Benediktinerabtei – das Kloster Corvey – ist weit bekannt. Bergemann hat sich darauf eingestellt. Es gibt eine Corvey-Torte, die Hoffmann-Pralinen oder auch den Huxaria-Taler – eine Hommage an den früheren Namen der Stadt Höxter. „Unsere Region ist beliebt bei Fahrradtouristen. Für sie kreieren wir immer wieder Give aways“, bestätigt der Konditor. Den bei Bergemann beliebten Aha-Effekt verschafft der Meister seinen Gästen jedoch immer wieder mit seiner Kaffeemühlensammlung. Er hat die wohl größte Sammlung weit und breit.

Informationen:

Café Pammel
37671 Höxter, Am Markt 10
Tel.: 05271 / 7930
täglich bis 18.30 Uhr geöffnet

erschienen in der Fachzeitschrift Konditorei & Café